"Wahrscheinlich bin ich verrückt"


"Wahrscheinlich bin ich verrückt"
(Marlen Haushofer - Die Biographie)

Marlen Haushofer ist eine Repräsentantin der jungen Generation der österreichischen Literaten nach 1945.
Nach ihrem Tod im Jahr 1970 wurde es still um ihre literarischen Werke. Erst mit der Neuauflage von "Die Wand" 1983 schenkte man ihrem literarischen Schaffen, wieder mehr Aufmerksamkeit.
Da Marlen Haushofer neben Ingeborg Bachmann als präfeministische Autorin galt, wandte sich auch die literatur-
wissenschaftliche Forschung verstärkt der Interpretation ihrer Werke zu.


Die ersten Lebensjahre

Ihr Vater, der die Forstschule in Budweis absolviert hatte, übte in Effertsbach den Beruf eines Försters aus, ihre Mutter, die auch aus einer Försterfamilie stammte, sorgte für das Wohl der Familie.

Marlens Vater war als ruhiger und humorvoller Mensch bekannt. Zu ihrer Mutter, einer tiefreligiösen, strengen und tatkräftigen Frau, entwickelte sie seit frühester Kindheit ein angespanntes Verhältnis, das sich durch die Geburt ihres um vier Jahre jüngeren Bruders Rudolf im Juni 1924 noch verstärkte. Auf Grund der Distanziertheit ihrer Mutter wandte sie sich ihrem Vater zu, der zwar mehr Nähe duldete, ihr in seinem Verhalten aber auch manchmal ambivalent erschien. Mit ihrem Bruder Rudolf Frauendorfer, dem sie das Buch "Himmel, der nirgendwo endet" widmete, hatte sie zeit ihres Lebens engen Kontakt.

 


Schulzeit

Noch bevor Marlen Frauendorfer in die Volksschule nach Frauenstein kam, hatte sie das Lesen und Schreiben erlernt. Schon in den ersten Schuljahren zeigte sich ihre hervorragende Begabung im Schreiben von Aufsätzen. Alles, was ihr an Büchern in die Hände fiel, verschlang sie, Dramen von Schiller und Kleist, Erzählungen, Tagebücher und philosophische Literatur. Ihr Lieblingsdichter war damals Heinrich Heine.

Das wissbegierige und phantasievolle Mädchen interessierte alles andere, nur nicht Küchen- und Hausarbeit, die für gewöhnlich den Frauen überlassen wurde, vielmehr wollte sie in die Welt der Männer eindringen. Waren es doch Männer, ihr Vater und ihr Onkel, in deren Nähe sie sich wohl fand, wenn sie ihr Geschichten erzählten.

In dem 1966 erschienen autobiographischen Roman "Himmel, der nirgendwo endet", schildert Marlen Haushofer in einer realistischen Darstellungsweise Begebenheiten aus ihrer Kindheit bis ins Detail.

Auf Wunsch ihrer streng katholischen Mutter kam Marlen Frauendorfer im Alter von zehn Jahren nach Linz ins Gymnasium der Ursulinen, eine von Nonnen geführte Privatschule. Anfangs vermochte das freiheitsliebende, verwöhnte und vom Heimweh geplagte Mädchen das eingeschränkte Leben im Internat nur mit Mühe zu ertragen. Die Trennung von den Eltern und die emotionale Kälte im Kloster nagten so sehr an ihrer seelischen Gesundheit, dass sie Depressionen bekam. Ihre seelische Unausgeglichenheit wirkte sich auch auf ihren körperlichen Gesundheitszustand aus, weshalb sie oft aus Krankheitsgründen vom Unterricht fern bleiben musste. Im Alter von dreizehn Jahren erkrankte sie an Lungentuberkulose, ein Jahr später an einer sehr schweren Lungenentzündung, die beinahe zum Tod geführt hätte. In der Geschichte "Dattelkerne" erzählt Marlen Haushofer von ihren gesundheitlichen Problemen in der Pubertät und ihrem Kuraufenthalt im Kindererholungsheim Kirchschlag bei Linz.

In einem Interview in der Neuen illustrierten Wochenschau vom 29.12.1968 äußerte sie sich über ihre Zeit im Internat und in der Klosterschule folgendermaßen: "Bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr war ich ein todunglücklicher Mensch. Man hatte mich zu den Ursulinen nach Linz gegeben. Der Übergang von der vollkommenen Freiheit in und rund um das Elternhaus zum Klosterleben führte zu schwersten Depressionen. Ich wurde ernstlich krank und für ein Jahr aus der Schule genommen....Aber es war mir nach dem Kranksein ein Licht aufgegangen. Ich hatte gelernt, mich nicht mehr gegen alle Hindernisse aufzulehnen. Mit dem Kopf durch die Wand? Das hatte ich aufgegeben." Die Erinnerungen an die Internatszeit verarbeitete Marlen Haushofer in den beiden Romanen "Eine Handvoll Leben" und "Himmel, der nirgendwo endet" sowie in der Erzählung "Freundinnen". Das Leben im Kloster widerte sie immer mehr an, aber sie fühlte sich gezwungen, sich dem Willen ihrer Eltern und Lehrer zu beugen. Die konfessionelle Erziehung und ihr zunehmender Pessimismus führten zu einer atheistischen Einstellung, zu der sie sich später auch offen bekannte.

Im September 1938 nach dem Einmarsch der Deutschen in Österreich wurden die Pforten des Klostergymnasiums geschlossen. Die ehemaligen Klosterschülerinnen mussten in eine Oberschule für Mädchen wechseln, die im Gymnasium der Kreuzschwestern untergebracht war.


Reichsarbeitsdienst


Nach erfolgreich bestandener Matura im März 1938 meldete sich Marlen Frauendorfer zum Reichsarbeitsdienst nach Ostpreußen. Sie wurde dem RAD-Lager Christburg bei Elbing an der deutsch-polnischen Grenze zugewiesen. Beim RAD wurden die jungen Frauen dazu verpflichtet, zur Entlastung berufstätiger Frauen Arbeiten in Haushalten zu verrichten und Bäuerinnen bei der Feldarbeit und Ernte zu helfen. Auf Grund der strengen Erziehung im Kloster fiel es ihr auch nicht schwer, sich an die Härten und den Drill im Lager zu gewöhnen.


Studienzeit


Im Jänner 1940 begann Marlen Frauendorfer an der Universität Wien mit dem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte, welches sie nach dem Sommersemester 1941 abbrach. Sie führte in Wien eine Zeit lang ein unbeschwertes Leben, bis eines Tages ein deutscher Medizinstudent, in den sie sich in Ostpreußen verliebt hatte, zum Studium nach Wien kam.



Familie

Im Jänner 1940 begann Marlen Frauendorfer an der Universität Wien mit dem Studium der Germanistik und Kunstgeschichte, welches sie nach dem Sommersemester 1941 abbrach. Sie führte in Wien eine Zeit lang ein unbeschwertes Leben, bis eines Tages ein deutscher Medizinstudent, in den sie sich in Ostpreußen verliebt hatte, zum Studium nach Wien kam. Aus dieser Liebesbeziehung ging ihr Sohn Christian hervor, der am 31. Juli 1941 das Licht der Welt erblickte und bei der Mutter einer Freundin in Herrsching am Ammersee in Bayern aufwuchs. Erst nach Kriegsende holte sie den Buben nach Österreich und ließ in bei ihren Eltern in ihren Heimatort Effertsbach. Ihre sittenstrenge Mutter konnte das uneheliche Kind der Tochter nur mit Mühe akzeptieren.

Noch vor der Geburt ihres Sohnes hatte Marlen Frauendorfer ihren späteren Ehemann Manfred Haushofer kennengelernt, im November 1941 feierten die beiden Hochzeit in Frauenstein. Nach einem Aufenthalt in Prag und Bayern kehrte das jung vermählte Ehepaar im September 1942 nach Wien zurück. Mittlerweile erwartete Marlen Haushofer auch ihr zweites Kind, das sie am 27. März 1943 in ihrer oberösterreichischen Heimat in Wels zur Welt brachte. Im Winter desselben Jahres übersiedelten die Haushofers nach Graz, wo sie ihre Studien wieder aufnahmen. Beim Einmarsch der sowjetischen Truppen in Graz flüchteten die beiden aus der Stadt und suchten in Frauenstein Zuflucht. Nach dem Krieg zogen sie wieder nach Graz, wo sich Manfred Haushofer zum Zahnarzt ausbilden ließ. 1947 eröffnete er eine Zahnarztpraxis, in der die Schriftstellerin als Assistentin mitarbeitete. Auch ihr Sohn Christian wurde als Familienmitglied aufgenommen. Auf Grund gravierender familiärer Probleme ließen sich die Haushofers im Juni 1950 scheiden, wovon aber die Öffentlichkeit nichts erfuhr. Das war für Marlen Haushofer eine unglaubliche seelische Belastung, die sie in schwere Depressionen stürzte. Die seelischen Probleme, die ihre Kreativität keineswegs beeinträchtigten, vertraute sie ihrem Freund Hans Weigel an, der ihr den Rat gab, sich an den Psychiater und Psychotherapeuten Viktor Frankl, den Begründer der Logotherapie, zu wenden.

Die Hausarbeit, die Erziehung der beiden heranwachsenden Söhne und die literarische Tätigkeit konnte sie nur schwer miteinander vereinbaren. Immer wieder klagte sie darüber, dass ihr zu wenig Zeit zum Schreiben bliebe. Die Schwierigkeiten ihrer Arbeitsbedingungen als Schriftstellerin teilte sie ihrer Freundin Jeannie Ebner, Schriftstellerin und Herausgeberin der Zeitschrift "Literatur und Kritik", meist brieflich mit.

1958 heiratete Marlen Haushofer ihren Ehemann ein zweites Mal, was sie damit begründete, dass "man in Steyr nicht geschieden sein könne." Noch im selben Jahr starb ihre eng vertraute Freundin Helene Lahr, die Lebensgefährtin ihres Freundes, Oskar Jan Tauschinsky.

In den Jahren 1967 und 1968 unternahm sie Urlaubsreisen nach Italien, um sich von der anstrengenden Arbeit des Schreibens und im Haushalt zu erholen. Ihr gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich immer mehr, wofür auch ihre seelischen Probleme mitverantwortlich waren. Bei einer ärztlichen Untersuchung stellte man eine schlimme Knochenkrankenheit fest, die sie selbst als psychosomatischen Ursprungs deutete. Ihre Freunde Hans Weigel, Elfriede Ott und Oskar Jan Tauschinsky standen ihr in allen Phasen ihrer Krankheit hilfreich zur Seite, bis sie am 21. März 1970 in einer Wiener Privatklinik starb.

Sie führte in Wien eine Zeit lang ein unbeschwertes Leben, bis eines Tages ein deutscher Medizinstudent, in den sie sich in Ostpreußen verliebt hatte, zum Studium nach Wien kam.


Persönlichkeit

Marlen Haushofer war eine ruhige und zurückhaltende Person. Sie besaß einen kritischen Verstand und psychologischen Scharfsinn. Durch den ständigen Umgang mit Verlegern, Lektoren und Kritikern entwickelte sich bei ihr eine gewisse Abgestumpftheit gegenüber Kritiken, bis sie nur mehr positive Kritiken zur Kenntnis nahm. Mühsame und langwierige Arbeiten bedeuteten für Marlen Haushofer stets einen inneren Kampf zwischen Trägheit und Ehrgeiz. Ihre große Liebe galt den Tieren, besonders ihrem Tigerkater Iwan.




Quelle:
www.marlenhaushofer.at/index.html
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